Samstag, 16.09.2000
Gegen 5.30 Uhr haben wir ausgeschlafen. Sämtliche Fenster des Wohnmobils sind zugefroren, und später muß ich dickes Eis von den
Scheiben im Alkoven kratzen. Wir frühstücken gemütlich und ziehen dann die wärmsten Sachen an, die wir dabei haben und machen einen
Morgenspaziergang. Wir sind nicht die Einzigen, die um diese frühe Stunde schon unterwegs sind. Ein Schneehase hoppelt vor unserer Nase
ins Gebüsch und sieht uns von dort neugierig an. Er macht überhaupt keinen scheuen Eindruck. Und bald darauf sehen wir die nächsten beiden,
die durch die Gegend streifen. Wir unterhalten uns mit einem Alaskaner, der mit seinem Hund eine Runde dreht. Der erzählt uns, daß wir heute
Nacht - 10 Grad hatten! Wenige Meter weiter bricht dann auf einmal ein Streit zwischen einem Jäger und einem offensichtlichen Tierliebhaber
wegen der zur Zeit stattfindenden Elch- und Karibujagd aus. Wir suchen ziemlich schnell das Weite, ehe wir zwischen die Fronten geraten, denn
der Streit wird immer lauter und droht fast zu eskalieren. Als wir am Flußufer eintreffen, steht der Deutsche von gestern Abend schon mitten im
Flußbett und guckt angestrengt durch sein Fernglas den Fluß hinauf. Er hat weit oben eine Bärin mit einem Jungen im Gebüsch erspäht. Heute
Morgen sind sämtliche Pfützen und die Ränder der Flußläufe dick gefroren, und unter unseren Schuhen ist das Knacken des Eises zu hören, als
wir das Flußbett weiter hinaufgehen. Ansonsten herrscht hier wie gestern Abend totale Stille. Als ich durchs Fernglas blicke, kann ich einen
schwarzen Punkt am rechten Uferrand im Gebüsch erkennen, der sich in unsere Richtung bewegt. Die beiden Tiere sind noch viel zu weit von
uns entfernt, um ein Foto zu machen. Wir schlendern also weiter im Geröll herum (ständige Bewegung tut bei dieser Kälte Not, denn sonst ist
man bald steifgefroren), als plötzlich oberhalb von uns ein relativ heller Grizzly gemütlichen Schrittes um die Ecke in unser Blickfeld kommt und
völlig unbeeindruckt von unserer Anwesenheit damit beginnt, Wurzeln aus dem Kiesbett zu reißen. Kurz darauf gesellt sich dann noch ein
dunkelfarbiger Bär dazu. Es sieht so aus, als wären die beiden Geschwister, denn allzugroß sind sie noch nicht. Bald sind sie nah genug, daß
man sie fotografieren und filmen kann. Fasziniert sehen wir ihnen zu, bewahren aber ausreichenden Abstand zu ihnen, als sie näher kommen.
Dann drehen sie plötzlich zum gegenüberliegenden Flußufer ab, und sind bald darauf im Gebüsch verschwunden. Der "Grizzly-Mann" aus
Süddeutschland, wie wir den Deutschen schon gestern Abend getauft haben, erzählt uns, daß er sich schon vor 30 Jahren einen Jugendtraum
erfüllt und sich hier oben an einem einsamen See eine Blockhütte gebaut hat, die nur per Wasserflugzeug erreichbar ist. Von seiner Hütte aus
hat er einen direkten Blick auf den Denali. Er ist freiberuflich für ein Museum in Deutschland tätig (ich hatte ihn schon fälschlicherweise für einen
Tierfilmer oder Ähnliches gehalten) und kommt jedes Jahr im Juli für drei Monate mit seiner Frau nach Alaska. Das wäre ebenfalls mein Traum!
Die Beiden gehen jedes Jahr auf Reise quer durch Alaska und waren schon auf Kodiak, am McNeill usw. Beide sind wie wir totale Bärenfans
und haben in den 30 Jahren hier oben noch nie eine gefährliche Bärenbegegnung gehabt. Das deckt sich ganz und gar mit unserer Einstellung,
daß all die Unglücksfälle durch das falsche Verhalten der Menschen und nicht durch die Bären ausgelöst worden sind. Solange man sich
"bärengerecht" verhält, wird nichts passieren, d. h., wir müssen respektieren, daß es ihr Land ist, das wir betreten, und nicht umgekehrt. Gegen
11.45 Uhr verlassen wir diesen wunderschönen Ort um unten im Visitor-Center zu versuchen, noch einmal ein Permit für ein oder zwei Nächte für
diesen Campground zu bekommen.
Die Landschaft ringsherum ist auch heute wunderschön. Im Gegensatz zu gestern ist alles dick gefroren,
und teilweise liegt an manchen Stellen eine leichte Schneedecke. Das tut unserer Begeisterung aber keinesfalls einen Abbruch. Im Gegenteil!
Einen Dämpfer bekommen wir dann, als wir an der Visitor-Info ankommen und auf den großen Tafeln die roten Besetztschilder für die
Campgrounds sehen. Hätten wir doch bloß gestern für mehrere Tage reserviert! Aber da wußten wir noch nicht, wie wundervoll es hier sein
würde. Leicht geknickt setzen wir unsere Fahrt dann Richtung Healy fort, wo es einen Supermarkt geben soll. Sobald man den Einzugsbereich
des Denali Parks verläßt, wird die Landschaft um uns herum relativ eintönig und wesentlich flacher. Der Supermarkt in Healy ist winzig klein, und
das Einkaufen dort kann man aufgrund des Angebotes getrost vergessen. Weiter Richtung Norden wollen wir nicht mehr, und machen uns bald
darauf wieder auf den Rückweg. Unterwegs halten wir für unser Mittagessen am idyllisch gelegenen Otto-Lake-Campground, der um diese
Jahreszeit allerdings auch schon geschlossen hat (hätte uns auch sehr gewundert, wenn es anders gewesen wäre). Auf unserer Weiterfahrt am
frühen Nachmittag entschließen wir uns, heute noch einmal im Bereich des Denali-Parks zu bleiben, da es für eine Fahrt auf dem
Denali-Highway heute doch zu spät geworden ist. Wir reservieren einen Stellplatz auf dem gleich am Parkeingang gelegenen
Riley-Creek-Campground (10 Dollar) und fahren dann noch einmal zurück zum McKinley Village, einem total touristisch aufgemachten Örtchen
direkt am Highway. Hotels, Cabins und Campground liegen unmittelbar an der viel befahrenen Straße. Wir finden es hier fürchterlich, obwohl bis
auf wenige Unterkünfte und einen kleinen Supermarkt schon alles hier geschlossen hat. Aber wir fragen uns, wie es hier wohl im Sommer
aussehen mag. Da kann man vor lauter Touristen wahrscheinlich keinen Fuß mehr vor den anderen setzen. Obwohl Vieles hier schon
geschlossen ist, sind wir froh, in dieser ruhigen Jahreszeit hier zu sein. Am Supermarkt fällt mein Blick auf einen dort angehefteten Zettel:
"Cabin, voll eingerichtet, Elektrizität und Telefon mit wundervollem Ausblick auf die Berge in der Zeit von Oktober bis Mai für 300 Dollar/Monat
zu vermieten". Das wär es doch! Ein traumhaftes Angebot, das ich am liebsten sofort annehmen würde. Aber da wäre ja noch mein Chef, der
dabei auch ein Wörtchen mitzureden hätte...
Im Visitor-Center des Denali Parks sehen wir uns später noch einen 15-minütigen Film über den Park an und machen dann noch einen
Spaziergang zur Railwaystation der Alaska-Railroad. Als wir abends im Wohnmobil sitzen und die Route für den nächsten Tag studieren,
werden nach und nach um uns herum alle Plätze besetzt. Es hat sich mittlerweile bewölkt, und es sind nur noch + 2 Grad.
W E I T E R
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